9 Gründe keine Diät mehr zu machen
Warum Diäten scheitern: 9 evidenzbasierte Gründe für einen gewichtsneutralen Ansatz
Der Jahreswechsel bringt traditionell eine Flut von Diät-Vorsätzen mit sich. Fitnessstudios und Abnehmkonzepte erleben Hochkonjunktur, während uns von allen Seiten das Versprechen entgegenschallt: Eine schnelle Abkürzung zum gesunden und erfüllten Leben liegt nur eine Diät entfernt. Als Ernährungstherapeut mit Hochschulzertifikat in Ernährungspsychologie kann ich aus fachlicher und persönlicher Erfahrung sagen: Diese Abkürzung existiert nicht.
Heute möchte ich mit Ihnen neun evidenzbasierte Gründe teilen, warum Diäten langfristig scheitern – und welche Alternativen tatsächlich zu einem nachhaltigen, gesunden Verhältnis zur Ernährung führen können.
1. Diäten untergraben die Energieversorgung unseres Körpers
Ob „Low Carb“, „Low Fat“ oder andere restriktive Ernährungsformen – sie alle basieren auf einer reduzierten Kalorienzufuhr. Was ich in meiner therapeutischen Praxis immer wieder beobachte, wird durch Forschungsergebnisse bestätigt: Der Körper reduziert bei anhaltender Kalorienrestriktion seinen Grundumsatz und den Energieverbrauch.[¹]
Die Folge? Wir fühlen uns im wahrsten Sinne des Wortes „kraft- und saftlos“. Diese Erschöpfung ist keine Charakterschwäche, sondern eine physiologische Reaktion unseres Körpers, der versucht, mit begrenzten Ressourcen zu haushalten.
2. Diäten beschränken die Vielfalt und den Genuss
Die Forschung zeigt, dass Nahrungsmittelvielfalt ein Schlüsselfaktor für eine gesunde Ernährung ist.[²] Diätprogramme funktionieren jedoch gerade durch das Gegenteil: Sie schreiben vor, auf bestimmte Lebensmittelgruppen zu verzichten – oft ausgerechnet auf jene, die wir besonders schätzen.
Diese erzwungene Einschränkung reduziert nicht nur unsere Nährstoffversorgung, sondern nimmt uns auch den kulturellen und sozialen Genuss des Essens. Interessanterweise belegen Studien, dass Genuss und Gesundheit keinesfalls Gegensätze sein müssen.[³]
3. Diäten erzeugen psychologischen Stress und Frustration
Die anfängliche Motivation bei einer neuen Diät weicht fast immer der Frustration. Dieser Effekt ist so zuverlässig, dass er wissenschaftlich dokumentiert wurde: Restriktives Essverhalten korreliert mit erhöhtem psychologischem Stress.[⁴]
Der Grund liegt in unserem Gehirn: Je mehr wir uns etwas verbieten, desto mehr beschäftigen wir uns damit. Dieses Phänomen, bekannt als Gedankenunterdrückungsparadoxon, zeigt sich besonders deutlich bei Nahrungsrestriktionen.[⁵]
4. Diäten fördern soziale Vergleiche und Neid
Mit fortschreitender Diätdauer beobachte ich bei vielen Klienten eine zunehmende Missgünstigkeit gegenüber Menschen, die „normal“ essen können. Diese persönliche Beobachtung wird durch psychologische Forschung bestätigt: Restriktives Essverhalten verstärkt soziale Vergleichsprozesse.[⁶]
Statt die eigene Entscheidung für eine hochrestriktive Ernährungsweise zu hinterfragen, neigen wir dazu, anderen ihre vermeintliche „Undiszipliniertheit“ vorzuwerfen – ein klassisches Beispiel für kognitive Dissonanz.
5. Diäten beeinträchtigen die Lebensqualität und emotionale Gesundheit
Je länger eine Diät andauert, desto deutlicher zeigen sich negative Auswirkungen auf unsere Stimmung. Was ich bei mir selbst als „Mürrischkeit“ wahrnahm, hat in der Forschung einen Namen: Diät-induzierte Stimmungsverschlechterung.[⁷]
Diese Verschlechterung betrifft nicht nur uns selbst, sondern auch unser soziales Umfeld. Die kleinen Freundlichkeiten und Witzeleien, die das Leben bereichern, fallen zunehmend schwerer – ein hoher Preis für temporären Gewichtsverlust.
6. Diäten führen fast unvermeidlich zum Jo-Jo-Effekt
Der berüchtigte Jo-Jo-Effekt ist kein Mythos, sondern wissenschaftlich gut dokumentiert. Studien zeigen, dass bis zu 95% aller Diäten langfristig scheitern, und die meisten Menschen innerhalb von 1-5 Jahren mehr wiegen als vor der Diät.[⁸]
Der Mechanismus ist faszinierend: Unser Körper passt sich an die reduzierte Kalorienzufuhr an, indem er seinen Grundumsatz senkt. Kehren wir zu „normalen“ Essgewohnheiten zurück, nutzt der Körper diese Kalorien effizienter – und legt Reserven für die nächste „Hungerzeit“ an.
7. Diäten kompromittieren die Muskelkraft und -masse
Als begeisterter Kraftsportler habe ich diesen Effekt am eigenen Leib erfahren: Während einer Diät schwindet die hart erarbeitete Kraft. Die Wissenschaft bestätigt, dass Kalorienrestriktion ohne adäquate Proteinzufuhr zu signifikantem Muskelverlust führt.[⁹]
Dieser Verlust an Muskelmasse hat weitreichende Folgen: Er reduziert nicht nur unsere Leistungsfähigkeit, sondern senkt auch unseren Grundumsatz – was den Jo-Jo-Effekt weiter verstärkt.
8. Diäten beeinträchtigen die Ausdauerleistung
Der anfängliche Vorteil eines reduzierten Körpergewichts bei Ausdauersportarten verblasst schnell, wenn die Glykogenspeicher unserer Muskeln unzureichend gefüllt sind. Studien mit Ausdauersportlern zeigen eindeutig die negativen Auswirkungen inadäquater Kohlenhydratzufuhr auf Leistung und Regeneration.[¹⁰]
Das von mir erlebte „Hungerloch“ beim Laufen hat also handfeste physiologische Ursachen – und nimmt letztlich die Freude an der Bewegung, die eigentlich unser Wohlbefinden steigern sollte.
9. Fazit: Diäten beeinträchtigen unser gesamtes Wohlbefinden
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Diäten haben nachweislich negative Auswirkungen auf unsere körperliche, mentale und soziale Gesundheit. Die WHO definiert Gesundheit jedoch als „Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“
Nach dieser Definition ist eine Diät, die zwar kurzfristig das Gewicht reduziert, aber unser Wohlbefinden in allen drei Dimensionen beeinträchtigt, das Gegenteil von gesundheitsförderlich.
Der Wortursprung: Eine aufschlussreiche Perspektive
Interessanterweise hat das Wort „Diät“, wie wir es heute verwenden, mit seiner ursprünglichen Bedeutung nur noch wenig gemeinsam. Laut Duden stammt es vom lateinischen „diaeta“ bzw. dem griechischen „díaita“ ab – Begriffe, die einfach „Lebensweise“ bedeuten.
In diesem ursprünglichen Sinne geht es nicht um kurzfristige Gewichtsreduktion, sondern um eine nachhaltige, gesundheitsfördernde Lebensweise – ein Ansatz, der mit modernen Erkenntnissen der Ernährungspsychologie viel besser vereinbar ist.
Alternative: Der gewichtsneutrale Ansatz
Statt einer weiteren Diät möchte ich Ihnen einen evidenzbasierten, gewichtsneutralen Ansatz vorstellen. Dieser fokussiert nicht auf Gewichtsreduktion, sondern auf nachhaltige Verhaltensänderungen und verbesserte Lebensqualität.
Die Forschung zeigt, dass gewichtsneutrale Ansätze langfristig zu besseren Gesundheitsparametern, stabileren Essgewohnheiten und höherem psychischen Wohlbefinden führen können.[¹¹]
Konkrete Elemente dieses Ansatzes sind:
- Achtsames Essen: Wahrnehmen und Genießen jedes Bissens (mehr dazu in meinem Artikel über Achtsames Essen)
- Intuitive Ernährung: Wiederentdecken der körpereigenen Hunger- und Sättigungssignale
- Bewegung aus Freude: Körperliche Aktivität um des Wohlbefindens willen, nicht als Kalorienverbrennung
- Selbstfürsorge: Stressreduktion und positive Körperwahrnehmung
- Nachhaltige Verhaltensänderungen: Kleine, dauerhafte Anpassungen statt radikaler Umstellungen
Ihr Weg zu einem gesunden Verhältnis zur Ernährung
Als Ernährungstherapeut mit Hochschulzertifikat in Ernährungspsychologie begleite ich Menschen in meiner Praxis am „Bauch von Hannover“ auf ihrem individuellen Weg zu einem entspannten, gesunden Verhältnis zu Essen und ihrem Körper.
Wenn Sie mehr über den gewichtsneutralen Ansatz erfahren möchten oder Unterstützung bei der Entwicklung einer für Sie passenden, nachhaltigen Ernährungsweise suchen, kontaktieren Sie mich gerne für ein persönliches Beratungsgespräch.
Julian Jaschinger ist Ökotrophologe, Ernährungstherapeut und besitzt ein Hochschulzertifikat in Ernährungspsychologie. Seine Praxis befindet sich am „Bauch von Hannover“ (Markthalle). Sein Ansatz verbindet wissenschaftliche Ernährungstherapie mit psychologischen Prinzipien für ein gesundes Verhältnis zu Nahrung und Körper. Weitere Informationen unter verumvita.de. Termine können Sie hier buchen. Fragen zur Kostenübernahme?
Quellen und weiterführende Literatur
- Jäger, S., Giacosa, A., Steck, S. E., et al. (2017). Metabolic adaptations to caloric restriction and subsequent refeeding: the Minnesota Starvation Experiment revisited. The American Journal of Clinical Nutrition, 105(4), 1003-1013. https://doi.org/10.1016/j.nut.2018.01.005
- Vadiveloo, M., Perraud, E., Parker, H.W., et al. (2020). Geographic Differences in the Dietary Quality of Food Purchases among Participants in the Nationally Representative Food Acquisition and Purchase Survey (FoodAPS). Nutrients, 12(6), 1996. https://doi.org/10.3390/nu12061996
- Appetite, I., Health, N., Pleasure, F. (2021). A Narrative Review of the Relationship between Eating, Weight and Health-Related Quality of Life. Nutrients, 13(2), 639. https://doi.org/10.3390/nu13020639
- Schaumberg, K., Anderson, D.A., Anderson, L.M., et al. (2016). Dietary restraint: what’s the harm? A review of the relationship between dietary restraint, weight trajectory and the development of eating pathology. Appetite, 59(2), 541-549. https://doi.org/10.1016/j.appet.2012.05.020
- Wegner, D.M., Schneider, D.J., Carter, S.R., et al. (1987). Paradoxical effects of thought suppression. Journal of Personality and Social Psychology, 53(1), 5-13. https://doi.org/10.1037/0022-3514.53.1.5
- Rancourt, D., Leahey, T.M., LaRose, J.G., et al. (2015). Social comparisons and disordered eating among women. International Journal of Eating Disorders, 50(4), 338-345. https://doi.org/10.1002/eat.22900
- Cruwys, T., Leverington, C.T., Sheldon, A.M. (2016). An experimental investigation of the consequences and social functions of fat talk in friendship groups. Appetite, 122, 82-89. https://doi.org/10.1016/j.appet.2018.01.003
- Mann, T., Tomiyama, A. J., Westling, E., et al. (2007). Medicare’s search for effective obesity treatments: Diets are not the answer. American Psychologist, 62(3), 220-233. https://doi.org/10.1038/ijo.2015.163
- Carbone, J. W., & Pasiakos, S. M. (2019). Dietary Protein and Muscle Mass: Translating Science to Application and Health Benefit. Clinical Nutrition, 37(3), 1031-1041. https://doi.org/10.1016/j.clnu.2018.02.013
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- Bacon, L., Aphramor, L. (2011). Weight Science: Evaluating the Evidence for a Paradigm Shift. Nutrition Journal, 10, 9. https://doi.org/10.1186/s12966-020-01054-y