Nahrungsergänzungsmittel

Nahrungsergänzungsmittel (NEM)

Nahrungsergänzungsmittel

Wenn ich meine Facebook- oder Instagram-App auf dem Laptop oder Handy öffne, werde ich sofort mit der heutigen Thematik konfrontiert: Nahrungsergänzungsmittel(NEM). Ob im Newsfeed oder in Ernährungs-Gruppen. Überall bewerben Personen und Firmen bestimmte Pülverchen, Kapseln und Tabletten, die angeblich die neue Wunderwaffe gegen die festsitzenden Fettpölsterchen und Garant für die Gesundheit sein sollen. Aber was ist dran an diesen angeblichen Wundermitteln? Funktionieren Nahrungsergänzungsmittel?

Nahrungsergänzungsmittel und Gesundheit

Sind alle NEM´s grundsätzlich schlecht? Nein! Es gibt durchaus Situationen, in denen ein solches Produkt sinnvoll für die menschliche Gesundheit sein kann. Zum Beispiel bei bestimmten Ernährungsformen, Lebensumständen oder Erkrankungen. Viele Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln versprechen allerdings utopische Wirkkräfte ihrer Produkte. Diese Versprechen entbehren jeglicher wissenschaftlicher Beweise.

Nahrungsergänzungsmittel vs. Arzneimittel

Im Gegensatz zu Arzneimitteln ist es ziemlich leicht in Deutschland ein Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt zu bringen. Das macht den großen Markt für NEM´s erst möglich. Denn es geht weniger darum, dass etwas wirklich wirksam ist, sondern darum, dass es die VerbraucherInnen glauben. Wenn die VerkäuferInnen eines Nahrungsergänzungsmittel dieses selbst einnimmt und von den positiven Wirkungen berichtet, ist das kein Qualitätsmerkmal. Stattdessen weißt es eher auf ein Schneeballsystem dahinter hin.

Schneeballsystem

Da diese Produktlinien wohl kaum den besagten Werbern selber gehören, ist die entscheidende Frage: Wie verdienen Anna und Alex mit solchen Produkten Geld? Meistens läuft dieses Geschäftsmodell über ein sogenanntes Schneeballsystem. Anna verkauft Alex das besagte Produkt und begeistert ihn für die Idee. Ab jetzt verdient Anna bei jedem Produktverkauf von Alex mit. So entsteht ein System, dass diejenigen an der Spitze eventuell reich macht. Weiter unten in dieser Hierarchie stehen Personen, die davon träumen auch so wohlhabend zu werden. Sie richten dann ihr Leben darauf aus, ihren Freundeskreis dazu zu motivieren, ihre Produkte zu kaufen.

„Für die meisten reicht es jedoch nicht zu mehr als einem kleinen Nebenverdienst.“

Nahrungsergänzungsmittel und Zulassung

Wer ein Nahrungsergänzungsmittel auf dem deutschen Markt einführen möchte, muss dies lediglich dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gemeldet werden. Mit der Anzeige des Inverkehrbringens kann der Hersteller jetzt das Produkt vertreiben. Das ist zwar in dem Sinne sinnvoll, dass die Produkte schneller auf dem Markt verfügbar sind, hat aber einen entscheidenden Nachteil für uns VerbraucherInnen. Denn einige Nahrungsergänzungsmittel werden wieder aus dem Verkehr genommen, weil sie nichts taugen. Doch bis sie erstmal geprüft sind, kann einige Zeit vergehen.

„Bis dahin kann es munter weiter verkauft werden. Das gesundheitliche Risiko tragen die VerbraucherInnen.“

Nahrungsergänzungsmittel und Wirkung

Doch wer kann sagen, ob diese Wirkung noch besteht, wenn man die natürlichen Produkte trocknet, zu Pulver zerreibt, aufkonzentriert und dann als Pülverchen oder in Pillen zu sich nimmt? Niemand kann das sagen und die Ernährungswissenschaft kann zwar Obst und Gemüse empfehlen, aber bislang keine Nahrungsergänzungsmittel. Aus dem einfachen Grund, dass deren Wirksamkeit und Verträglichkeit nicht bewiesen sind. Besonders vorsichtig sollte man sein, wenn jemand Abnehmerfolge garantiert. Das gilt nicht nur für Nahrungsergänzungsmittel, sondern auch für Ernährungsberatung.

„Eine Möglichkeit dich in die erlaubten gesundheitsbezogenen Aussagen (Health Claims) einzuarbeiten, findest Du auf der Internetseite des BVL.“

NEM´s statt Ernährung?

Gerne und begeistert erklären manche Hersteller und Vertreiber, dass ihre Nahrungsergänzungsmittel die natürliche Art sich zu ernähren, ersetzen könnten. Diese Behauptung ist grundsätzlich falsch und als irreführend zu bezeichnen. Denn selbst wenn energieliefernde Nährstoffe und Mikronährstoffe in ausreichendem Maße zugeführt werden, bleiben Fragen offen. Was ist mit der Aufnahme der Nährstoffe innerhalb des jeweiligen, individuellen Körpers? Was ist mit den Genussaspekten des Essens?

Es ist wahr: Energie, Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe aus natürlichen Lebensmitteln haben erwiesener Maßen positive Effekte auf unsere Gesundheit.

NEM´s und Ernährungsberatung

Wenn jemand etwas verkaufen möchte, hört automatisch seine Fähigkeit zur Objektivität auf. Ich gehe davon aus, dass meine Ernährungsberatung positive Effekte zeitigen kann. Würde ich davon nicht ausgehen, könnte ich sie nicht anbieten. Genauso glaubt ein Bäcker, dass seine Kuchen gut schmecken. Um herauszufinden, ob der Glaube berechtigt ist, muss man sowohl die Ernährungsberatung als auch den Kuchen ausprobieren. Sowohl Ernährungsberatung als auch Kuchen sind (auch) individuelle Geschmacksache.

NEM´s und Ethik

Wenn jemand also davon profitiert, dass er Nahrungsergänzungsmittel verkauft, möchte er auch an deren Wirksamkeit glauben können. Somit schließen sich qualifizierte Ernährungsberatung und der Verkauf von NEM´s aus. Denn der Verkauf von etwas anderem als der Beratungsleistung bringt einen Gewissenskonflikt mit sich. Automatisch möchte der Ernährungsberater oder die Ernährungsberaterin erreichen, dass seine/ihre KlientInnen die angebotenen Nahrungsergänzungsmittel kaufen. Aber zu den Prinzipien der Ethik in der Ernährungsberatung gehört es, keine normativen Vorschriften zu machen. Somit hat der Verkauf innerhalb der Ernährungsberatung nichts zu suchen.

Cui Bono?

Wenn du siehst, dass Anna Musterfrau oder Alex Mustermann unbedingt ein bestimmtes Produkt verkaufen möchten, lohnt sich erstmal die Frage: Warum? Sind diese Personen an deinem leiblichen und psychischen Wohlbefinden interessiert? Der eine oder andere hat bestimmt gute Absichten, doch fast immer steckt (auch) ein materielles Interesse dahinter. Es ist ja sicherlich nicht falsch etwas zu verkaufen. Auf dieser Vereinbarung basiert unser gesamtes Wirtschaftssystem. Trotzdem lohnt sich die Frage:

„Cui Bono – Wem nützt es?“

Placeboeffekt

Ein Problem, das mit dem „Cui Bono“ Argument in enger Verbindung steht, ist der sogenannte Placeboeffekt. Denn wenn wir Menschen glauben, dass etwas gesund ist, dann gibt es einen Selbstheilungseffekt des Körpers. Dieser Selbstheilungseffekt ist so stark, dass Studien, die ein neues Arzneimittel testen wollen, eine Kontrollgruppe benötigen. Diese Kontrollgruppe bekommt ein sogenanntes Placebo, z.B. eine Zuckerpille. Nur ein Arzneimittel, das über den Placeboeffekt hinaus wirkt, kann überhaupt zugelassen werden.

Wer mit einem NEM Geld verdient, glaubt automatisch gesundheitlich davon zu profitieren.

Fazit

Bestimmte Nahrungsergänzungsmittel sind gesundheitlich wichtig. Zum Beispiel Folsäure/Folat in der Schwangerschaft. Oder wenn ein*e MedizinerIn einen spezifischen Mangel festgestellt. Auch nach bariatrischen Operationen sind Nahrungsergänzungsmittel obligatorisch. Allerdings sollte man bei NEM´s stets genau darauf horchen, ob ein finanzielles Interesse an der Meinung darüber besteht. Jemand, der NEM´s vertreibt, kann nicht objektiv darüber sprechen. Deswegen sollte qualifizierte Ernährungsberatung auch stets produktneutral sein.

Wenn Du überlegst Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, dann am besten in Absprache mit einer Ärztin oder einem produktneutralen Ernährungsberater. (Vorsicht: Diese Aussage ist nicht Dienstleistungs-neutral :-D)