Essverhalten verstehen

Essverhalten verstehen

Essverhalten verstehen

Essen müssen wir alle. Doch verstehen wir auch unser eigenes Essverhalten? Viele Menschen scheinen „gesundheitsförderliche Ernährung“ und „genussvolles Essen“ unterbewusst als diametral unterschiedlich zu verstehen. Die Entscheidung sich gesundheitsförderlich zu ernähren geht für sie mit einem Verzicht auf Genuss einher. Dadurch gelangen sie in ein Dilemma, weil sie sich vermeintlich zwischen zwei Dingen entscheiden müssen: Lebensqualität im Hier und Jetzt vs. Lebensqualität in der Zukunft. Aber vielleicht gibt es  eine dritte Alternative. Diese Alternative steckt in dir selbst und nicht im Außen. Ein wenig Philosophie zum Essverhalten gibt’s in diesem Blogbeitrag.

Essverhalten: Eine Evolution

Als Homo Sapiens, also dem „weisen Menschen“, wie wir uns in aller Bescheidenheit nennen, haben wir eine Herausforderung damit, in größeren zeitlichen Dimensionen zu denken. Der zivilisatorische Prozess lief im Vergleich zur Langsamkeit unserer Evolution mit rasanter Geschwindigkeit ab. Heute leben wir vermehrt in Städten zusammen und stehen eindeutig an der Spitze der Nahrungskette. Naja, mal die nervigen Bakterien und Viren ausgenommen. In „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ beschreibt Yuval Noah Harari, dass dies bei weitem nicht immer so war.

Essverhalten in der Mitte der Nahrungskette

Denn noch vor weniger als 100.000 Jahren waren wir eine unbedeutende Affenart, die sich bestimmt nicht mit den Spitzenprädatoren, wie Großkatzen, anlegen wollte. Auch Schimpansen und andere Affenarten waren und sind uns körperlich weit überlegen. Wir waren irgendwo in der Mitte der Nahrungskette angesiedelt und aßen war wir fanden. Beeren, Insekten und Aas. Unsere ersten Werkzeuge benutzten wir laut dem Historiker Harari nicht zum jagen, sondern um an das Knochenmark zu kommen, welches Raubkatzen an abgenagten Kadavern übrig gelassen hatten. Quintessenz:

Nahrung war in der Historie des Homo Sapiens stets eine knappe Ressource.

Essverhalten und Angst 

Die Mitglieder einer Art, die in der Mitte der Nahrungskette stehen, haben ein Problem. Während sie auf der ständigen Suche nach Nahrung sind, müssen sie sich in Acht nehmen nicht selbst zur Nahrung zu werden. Daher lernten unsere Vorfahren alles zu essen, weil Flexibilität bei der Nahrungsauswahl einen wichtigen evolutionären Vorteil darstellte. Vorsicht, bis hin zur Paranoia stellte ebenfalls einen Vorteil dar. Wer nicht vorsichtig genug war, fiel Fressfeinden zum Opfer oder starb in der Wildnis. Wir lernten also alles zu essen, ängstlich zu sein und eine dritte, entscheidende Fähigkeit für unseren evolutionären Aufstieg an die Spitze der Nahrungskette.

An der Spitze der Nahrungskette

Wenn eine Art an die Spitze der Nahrungskette kam, dann normalerweise, weil sie größer, stärker oder schneller war als ihre Konkurrenten. Der Homo Sapiens steht heute an der Spitze der Nahrungskette, weil wir gelernt haben äußerst komplex mit unseren Artgenossen zu kommunizieren und über weite Distanzen effektiv miteinander zusammen zu arbeiten. Einen ausgewachsenen Löwen oder Tiger würden wir im körperlichen Aufeinandertreffen wohl niemals besiegen.

Kommunikation

Aber wir Homo Sapiens können über präzise Kommunikation Maßnahmen ergreifen und umsetzen, durch die kein wildes Tier in unser Territorium eindringen kann. Durch unsere Kommunikationsfähigkeiten sind wir in kürzester Zeit vom evolutionären No-Name zum gefürchtetsten Jäger aufgestiegen. Dadurch müssen wir nicht ständig auf der Hut sein vor Raubtieren und anderen Gefahren. Stattdessen können wir unsere Zeit mit neuartigen, menschlichen Aktivitäten füllen, die weit über Lebenserhaltung und Fortpflanzung hinaus gehen.

Wohin mit all der Zeit und Macht?

Essverhalten und Bewusstsein

In unserem Alltag haben wir größtenteils keinerlei Probleme mit Hunger und natürlichen Gefahren, die unser Überleben akut bedrohen. Wir sind aber trotzdem nach wie vor ängstlich und können immer noch fast alles essen. Zeit, Angst und unbegrenzter Zugang zu Nahrung stellen eine explosive Mischung dar. Ungehemmtes Essverhalten ist in der heutigen Umwelt, gepaart mit unseren genetischen Voraussetzungen, eher die Regel als die Ausnahme. Mit unserem Steinzeit-Bewusstsein können wir unsere modernen Probleme jedoch nicht lösen.

Das gute Leben

Um unser individuelles Leben zu verbessern und unser Gewicht zu regulieren, müssen wir die Zeit anders nutzen als unsere Vorfahren. Wir können und müssen mehr tun als schlafen, Nahrung suchen, essen und uns fortpflanzen. Auch wenn diese Aktivitäten noch immer rudimentärer Teil unseres Daseins ist. Aber wir können unsere Lebenszeit dafür nutzen, um uns über unser eigenes Verhalten bewusst zu werden. Wir können philosophieren und unser Bewusstsein schulen. Dadurch können wir unsere Urängste besser verstehen und damit umgehen lernen. Außerdem können wir auf diese Weise unser Essverhalten und unseren Lebensstil reflektieren und dadurch Entscheidungen treffen, die sowohl gut für uns selbst, unsere Mitmenschen als auch andere Arten ist.

Essverhalten verändern 

Wie man sein Essverhalten und sein Leben zum Positiven verändern kann, beschäftigt uns erst seit einigen Jahrzehnten intensiv. Da wir Menschen sind, suchen wir nach einfachen, allgemein gültigen Lösungen. Die gibt es aber nicht. Der Weg zum guten Leben führt uns zwangsweise über uns selbst und unser eigenes Bewusstsein. Solange wir uns nicht reflektieren, wird der primitive Teil unseres Gehirns über unser Essverhalten bestimmen. Nur wer sich selbst versteht, kann sein eigenes gutes Leben gestalten. Dann können wir etwas entdecken, was Viktor E. Frankl so formulierte:

„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Reaktion zu wählen. In unserer Reaktion liegen unser Wachstum und unsere Freiheit.“

Essverhalten und Ernährungsberatung

Neben unseren primitiven Anteilen, besitzen wir auch sehr hochentwickelte Gehirnareale. Wir können die primitiven Anteile zwar nicht abschalten, das wäre tödlich. Aber wir können lernen eine gute Kommunikation zwischen unseren primitiven Wünschen und unseren hochentwickelten, assoziativen Gehirnanteilen herzustellen. Qualifizierte Ernährungsberatung kann dabei helfen, dass eigene Essverhalten zu verstehen. Auf dieser Grundlage lässt sich das subjektiv gute Leben gestalten.