Ethik in der Ernährungsberatung

Ethik in der Ernährungsberatung

Ethik in der Ernährungsberatung – Drei Prinzipien

Im Bereich der Moralphilosophie, oder auch Ethik, beschäftigen sich Philosophen mit dem menschlichen Handeln. Und zwar in der Hinsicht, dass sie versuchen, objektiv zu betrachten, wie das Verhalten von Menschen bewertet werden kann. Dabei wird in erster Linie gefragt, was moralisches Handeln ist, wie es definiert werden kann und wie es methodisch erfasst werden sollte. Ein hochkomplexes, philosophisches Thema also, aber mit viel Praxisbezug. Somit stellt sich auch die Frage: Was ist denn Ethik in der Ernährungsberatung?

Ernährungsberatung und Ernährungstherapie

Wenn ich nun die ethischen Aspekte in der Ernährungsberatung anreißen möchte, und mehr als ein kurzer Anriss ist an dieser Stelle unmöglich, dann betrachte ich gleichzeitig auch die Ernährungstherapie. Denn aus moralphilosophischer Perspektive ist der Übergang von präventiver Ernährungsberatung nach §20 SGB V zu rehabilitativer Ernährungstherapie nach §43 SGB V zu vernachlässigen. 

Ethische Grundsätze

Das Wort Ethik ist aus dem griechischen abgeleitet. „Ethos“ bedeutet dabei in etwa so viel wie „Charakter“ oder „Sinnesart“. Bei Betrachtung der deutschen Übersetzung drängt sich vielleicht schon ein erster Eindruck darüber auf, was Ethik in der Ernährungsberatung heißen könnte. Leicht zu fassen ist diese Bedeutung allerdings nicht. Denn jede Beratungssituation zwischen zwei Individuen, also dem Ernährungsberater und der zu beratenden Person, ist unterschiedlich. 

„Niemals kommen zwei exakt gleiche Personen mehrmals zusammen.“

Ethik in der Ernährungsberatung – Normative Vorschriften

Ein entscheidender ethischer Grundsatz in der Ernährungsberatung und Ernährungstherapie ist, dass man Menschen nicht vorschreiben kann, was sie essen dürfen. Essen ist von früh an mit Machtbeziehungen verknüpft. Während sich Kleinkinder nicht mal vom Bauch auf den Rücken drehen können, sind sie jedoch schon frei, das angebotene Essen abzulehnen oder schreiend nach Nahrung zu verlangen. Wir haben alle gemeinsam, dass wir uns unsere Essgewohnheiten nicht vorschreiben lassen wollen. 

„Ethik in der Ernährungsberatung bedeutet also vor allem anderen, das Gegenüber nicht erziehen zu wollen.“

Übertragung und Gegenübertragung

So überraschend der erste ethische Grundsatz sein mag. Immerhin könnte man ja erwarten, dass Ernährungsberatung und Ernährungstherapie genau das tut, nämlich einen anderen Menschen erziehen. Noch überraschender ist wohl der zweite ethische Grundsatz. In psychosozialen Arbeitssituationen kommt es zwangsweise immer wieder zu Phänomenen, welche von Psychologen Übertragung und Gegenübertragung genannt werden. Dabei wandelt sich der Ernährungsberater z.B. zwischenzeitlich zum dominanten Vater, der die ratsuchende Person bevormundet. Diese komplexen Zusammenhänge zu erklären, würde hier den Rahmen sprengen. 

Ethik in der Ernährungsberatung – Übertragungen angemessen begegnen

Für Ernährungsberater und natürlich auch Ernährungsberaterinnen ist es daher entscheidend, sich dem Themenkomplex von Übertragung und Gegenübertragung bewusst zu sein. Denn solange wir nicht verstehen, was da psychologisch passiert, übernehmen wir oftmals ganz automatisch die uns zugewiesene Rolle. Um sich solcher Mechanismen bewusst werden zu können, sollte eine ernährungspsychologische Grundausbildung für qualifizierte Ernährungsberatung und Ernährungstherapie obligatorisch sein. 

„Ethik in der Ernährungsberatung bedeutet also auch, sich bestimmter psychologischer Mechanismen bewusst zu sein.“

Ethik in der Ernährungsberatung – Sich seiner Rolle bewusst sein

Somit gehört zu den ethischen Grundsätzen in der Ernährungsberatung und Ernährungstherapie auch, sich seiner Rolle stets bewusst zu sein. Dadurch wird jede Beratungssituation zu einer besonderen mentalen Aufgabe. Wir ErnährungsberaterInnen müssen es nämlich schaffen, während der Beratung unserem Gegenüber achtsam und aufmerksam zu lauschen. Aber gleichzeitig müssen wir ebenfalls mit einem inneren Ohr bei uns selbst sein. Denn nur, wenn wir verstehen, was der Beratungsprozess auch mit uns selbst macht, können wir Übertragung und Gegenübertragung angemessen begegnen. 

„Ethik in der Ernährungsberatung ist also auch eng mit dem Begriff der Achtsamkeit verknüpft.“

Ethik in der Ernährungsberatung – Zusammenfassung

Die ethischen Grundsätze, die für Ernährungsberatung und Ernährungstherapie gelten, konnte ich in diesem kurzen Beitrag natürlich nur anreißen. Aber drei ethische Prinzipien kristallisieren sich heraus:

  1. Ernährungsberatung ist keineswegs als Erziehungsmaßnahme zu betrachten.
  2. Achtung vor dem psychologischen Komplex von Übertragung und Gegenübertragung.
  3. Achtsamkeit auf sein Gegenüber und sich selbst ist als eine ständige Herausforderung.

Ein viertes Prinzip – Die Güte

Abschließend lässt sich noch ein viertes ethisches Prinzip benennen. Das Prinzip der Güte. Dieses betrifft jedoch bei weitem nicht nur die Ernährungsberatung und Ernährungstherapie. Vielmehr ist die Güte eine Art Metaprinzip, welches wir in jeder Lebenssituation beherzigen sollten. Denn die ersten drei Prinzipien werden wir vermutlich immer wieder verletzten. Und die einzige Möglichkeit, human mit diesen Fehlern umzugehen, ist die der Güte. Wir machen alle Fehler. Schlussendlich bleiben wir Menschen. Unsere Vergangenheit prägt uns und wir werden niemals komplett sein. Davon gibt es keine Erlösung.

„Mit unser aller Unvollständigkeit leben zu lernen, ist der Inbegriff von Güte- und vielleicht auch von Weisheit.“

Danke für deine Aufmerksamkeit.