Selbstexperiment: Hartz-4

Selbstexperiment: Hartz-4

Selbstexperiment: Hartz-4

Ich werde ab heute eine Woche lang jeden Tag dokumentieren, was ich am Vortag gegessen habe. Gestern ging mein Selbstexperiment: Hartz-4 los und ich habe bis einschließlich Samstag, den 14.04.2018 33,84€ zur Verfügung um davon gesund zu essen und zu trinken. Nach Abschluss meines Selbstversuches werde ich die Kassenbelege zum Abgleich hochladen. Das Ergebnis ist auch mir unbekannt und ich hoffe ihr seid genauso gespannt auf das Ergebnis wie ich.

Viel Spaß beim Verfolgen, Kommentieren und Mitmachen!

Reicht Hartz-4 zum Leben?

Unser Gesundheitsminister Jens Spahn hat mit seiner Aussage, dass „Hartz-4 zum Leben reicht“, für heftige Kontroversen gesorgt. Ich glaube, dass die daraus entstandene Debatte durchaus berechtigt ist und möchte diesen Blogbeitrag für drei Dinge nutzen. Erstens möchte ich diskutieren, inwieweit man mit Hartz-4 gesund essen und trinken kann und daraus ein kleines Selbstexperiment ableiten. Zweitens möchte ich die Debatte auf Menschen ausweiten, die zwar voll arbeiten aber ebenfalls kaum mehr Geld (für Essen) zur Verfügung haben als Hartz-4 Empfänger. Und drittens möchte ich einen Paradigmenwechsel auf das Thema „gesunde Ernährung für kleines Geld“ vornehmen. Viel Spaß beim Lesen und danke für eure Meinungen und Kommentare zu diesem Thema.

Wieviel Hartz-4 ist für Nahrung vorgesehen?

Seit dem 01.01.2018 bekommt jeder Hartz-4 Empfänger 416€ pro Monat zum Leben (+ Miete inkl. Heizkosten). Das sind knapp 14€ pro Tag. Laut eines Kuchendiagramms von hartz4.org stehen 145,04€ im Monat für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke zur Verfügung. Das sind knapp 5,00 € täglich. Kann das reichen, um sich gesundheitsförderlich und ausgewogen zu ernähren?

Kann Hartz-4 reichen?

Ich glaube, wer sich dafür entscheidet pflanzenbasiert zu essen, kann von knapp fünf Euro pro Tag essen. Da muss man zwar sparsam sein und hat nicht die volle Auswahl, aber es geht. Um ausreichend Obst und Gemüse zu sich zu nehmen, wird man sich mit Hartz-4 größtenteils auf Tiefkühl-Produkte beschränken müssen. 750g TK-Gemüse kostet z.B. bei Netto 1,29€, 500g Joghurt 0,39€. Auch wenn diese Produkte kein Bio-Siegel haben, ist die Nahrungsmittelqualität und -sicherheit in Deutschland sehr hoch und deswegen meiner Meinung nach zumutbar.

Meine These:

„Hartz-4 kann für eine gesunde, pflanzenbasierte Ernährung reichen.“

Mein Selbstexperiment: Hartz-4

Doch wer A sagt muss auch B machen. Ich werde in einem Selbstexperiment vom 08.04. bis zum 14.04.2018 versuchen 7 Tage lang von 4,83€ pro Tag, also 33,84€ in der Woche gesund zu essen. Auf Facebook und Instagram werde ich täglich über den Zwischenstand berichten. Wer sich dem Experiment anschließen möchte, ist herzlich eingeladen unter #verumvita seine Erfahrungen mit uns zu teilen!

Essen zwischen Hartz-4 und Mindestlohn

Ich persönlich finde die Debatte um Arbeitslosenhilfe geht in eine falsche Richtung. Ich finde die Idee des „bedingungslosen Grundeinkommens“ sehr interessant, aber das soll heute nicht Thema sein. Empörend finde ich, dass Menschen die 40 Stunden die Woche arbeiten und Mindestlohn bekommen, häufig nach Abzug von Steuern etc. unwesentlich mehr oder genauso viel Geld zur Verfügung steht, wie Hartz-4 Empfängern. 14€ pro Tag zur Verfügung zu haben, ist da keine Selbstverständlichkeit. Das heißt:

„Wer arbeiten geht, kann sich nicht unbedingt gesünder ernähren als ein Hartz-4 Empfänger!“

Hartz-4: Welche Grundrechte haben wir beim Essen?

Haben wir in Deutschland die Verpflichtung auch Erwerbslose mit der bestmöglichen Lebensmittelqualität (Bio, Demeter-Qualität) zu versorgen? Ich finde nicht. Studenten, Menschen die Mindestlohn bekommen, viele Selbstständige und andere Erwerbstätige haben nicht die Möglichkeit sich solch einen Lebensmittelstandard zu leisten. Wer als Erwerbsloser umdisponiert, mag diese Möglichkeit sogar haben. Wenn man statt knapp fünf Euro, 10 Euro pro Tag für Essen ausgibt und auf andere Annehmlichkeiten verzichtet, kann man durchaus Bio-Qualität bekommen. Ansprüche darauf zu erheben, empfinde ich allerdings als vermessen.

Hartz-4 Empfänger sterben früher

Arme Menschen in Deutschland sterben früher als reiche Menschen. Das ist nicht fair. Doch wie kann man dieses Problem angehen? Ich glaube, dass eine Erhöhung der Leistungen da nicht weiterhilft, denn das größte Problem ist nicht die Armut an Materiellem, sondern die Armut an Bildung. In bildungsfernen Schichten ist das Wissen über gesundheitsförderliche Lebensmittel und die Fähigkeit ausgewogen zu kochen deutlich geringer ausgeprägt, als in gebildeten Milieus.

Hartz-4 und neue Paradigmen

Da die oftmals ungesunden Ernährungsgewohnheiten von Geringverdienern weniger mit den finanziellen-, als mit den Bildungsressourcen zusammenhängen, müssen wir neue Wege gehen und die Herausforderung aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Es werden immer wieder Stimmen aus den Fachkreisen von Ernährungswissenschaftlern und Verbraucherschützern laut, denen ich mich gerne anschließen möchte: Wir benötigen zum Anfang eine Veränderung des Mehrwertsteuer- Systems. Durch diese Besteuerung sollen Obst und Gemüse mit 0%, Milchprodukte, Fleisch, Nudeln etc. mit 7 % und zuckerreiche Lebensmittel und Getränke mit mindestens 19% besteuert werden.

Ziele meines Selbstexperiments

Mein langfristiges Ziel ist zum einen, auf die problematische Situation zwischen Lobbyarbeit der Ernährungsindustrie und unserer Politik aufmerksam zu machen und zum zweiten, kurzfristig für mich und alle Interessierten die Frage beantworten, ob das von Hartz-4 für Lebensmittel eingeteilte Geld (145,04€ monatlich/ 33,84€ wöchentlich/ 4,83€ täglich) für eine gesunde Ernährung reichen KANN.

Relevanz des Selbstexperiments

Diese Frage ist meines Erachtens nicht nur für die politische Debatte um Hartz-4 und die Aussage von Jens Spahn von Relevanz, sondern für alle Menschen, die sich von wenig Geld gesund ernähren wollen oder müssen. Bei dem Thema „gesunde Ernährung“ liegt mein Kompetenzbereich und auf diesen werde ich mich bei meinem Selbstexperiment vom 08.04. bis 14.04.2018 beschränken. Wer Lust hat, daran teilzunehmen, mit zu diskutieren oder einfach dabei zu sein und zuzuschauen, ist herzlich eingeladen!

Selbstexperiment: Hartz-4 – Resümee

Vom 08.04. bis zum 14.04.2018 habe ich ein Selbstexperiment zu der umstrittenen Aussage von Herrn Spahn, dass „Hartz-4 zum leben reicht“, durchgeführt. Mich hat bei der Debatte vor allem interessiert, ob der Satz von 145,04 € pro Monat, die für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke vorgesehen ist, ausreichen kann. Dafür habe ich mir selbst für eine Woche 33,84 € zur Verfügung gestellt, von denen ich mich möglichst gesund ernähren wollte. Wie ich diese Woche erlebt habe und was ich daraus gelernt habe, erfährst Du im Folgenden. Viel Spaß beim Lesen :)

Selbstexperiment: Hartz-4 – Kriterien größtenteils erfüllt

Vor Antritt der sieben Tage war ich mir ziemlich sicher, dass man von 4,83 € täglich gesundheitsförderlich essen kann. Was eine gesundheitsförderliche Ernährung ausmacht, ist jedoch ein breit diskutiertes Thema. Ich beziehe mich bei meiner Bewertung in erster Linie auf die „10 Regeln der DGE“ .Nach meinem Ermessen konnte ich die 10 Regeln weitestgehend gut umsetzen während meines Selbstexperimentes. Einiges, was ich zu einer gesundheitsförderlichen Ernährungsweise zähle, blieb aber auf der Strecke.

Selbstexperiment: 5 ausgewählte Kennzahlen
  • Ausgaben: 33,64 €
  • 94 g Eiweiß pro Tag
  • 10 kg Obst&Gemüse
  • 5 kg fettarme Milchprodukte
  • 25 – 30 g Walnüsse täglich

Selbstexperiment: Hartz-4: Esskultur bleibt auf der Strecke

Mit den 33,84 € bin ich über die sieben Tage gekommen. Ich habe genau 33,64 € ausgegeben, also rechnerisch sogar noch ein bisschen Geld übrig. Ich habe sehr üppig Obst und Gemüse sowie fettarme Milchprodukte zu mir genommen und mit ca. 1 g Eiweiß pro kg Körpergewicht liege ich über den empfohlenen 0,8 g. Allerdings hat das Geld nur gereicht, weil ich rudimentär und in erster Linie vegetarisch gegessen habe. Für eine Auswahl an Gewürzen und Saucen sind 145,04 € zu wenig. Von Fleisch und Fisch ganz zu schweigen. Insbesondere die von der DGE empfohlenen ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche sind bei dem Hartz-4-Satz schwer erreichbar.

Das habe ich bei meinem Selbstexperiment gelernt

Vor Beginn des Experiments bin ich davon ausgegangen, dass es möglich ist mit Hartz-4 gesund zu essen. Durch die eigenen Erfahrungen hat sich mein Blickwinkel etwas verändert. Menschen, die sich freiwillig dafür entscheiden nicht zu arbeiten und sich damit brüsten, wie ein Arno Dübel, erregen leicht Ärger und Wut. Für diese „Freeloader“ erscheint schon Hartz-4 zu viel. Genau solche Menschen werden dann auch schnell zum Aushängeschild für das geflügelte Wort „Hartz-4“.

Für Menschen, die aufgrund gesundheitlicher, familiärer oder anderer Gründe nicht arbeiten können, erscheint mir das von Hartz-4 für Essen eingeplante Geld als ungerecht wenig.

Perspektivwechsel durch das Selbstexperiment: Hartz-4

Ich muss definitiv zugeben, dass ich das Selbstexperiment:Hartz-4 unterschätzt habe. Und genau deswegen bin ich sehr froh es gemacht zu haben. Wer von 4,83 € pro Tag gesund essen möchte, der muss sich im Supermarkt ganz genau überlegen, was er/sie sich noch leisten kann. Das ist für sieben Tage gut auszuhalten. Wer aber langfristig in einer Situation ist, in der kein Entfliehen aus dem Hartz-4-Strudel zu erwarten ist, dem ist diese finanzielle Belastung nicht zuzumuten!

In einer finanziell so beengten Situation fällt es schwer, Freude an gesundheitsförderlicher Ernährung zu finden aber genau diese Freude ist die Grundvoraussetzung für ein langfristig positives und gesundes Verhältnis zum Essen.

Forderung an die Politik nach dem Selbstexperiment: Hartz-4

Bei meinem Selbstexperiment ist mir klar geworden, wie belastend es ist, den ganzen Tag darüber nachdenken zu müssen ob das Geld für die nächste Mahlzeit reicht. Da ist es deutlich leichter sich eine Dreierpackung Tiefkühl-Pizza für 1,99 € zu kaufen. Ich bin der Meinung, dass Deutschland reich genug ist um eine gesunde Ernährung für Alle zu gewährleisten. Ideen wie Steuervorteile für gesundheitsförderliche Lebensmittel sind ein großartiger Anfang. Das Ideal umzusetzen bleibt eine große Herausforderung für Politik, Ernährungsexperten sowie Industrie und benötigt sicherlich viel Arbeit und Geduld, aber eine faire Ernährungspolitik ist es definitiv wert weiter verfolgt zu werden!